Musikproduktion

Ein besonders krasses Beispiel für die Fehlentwicklung in der Kunst ist die Musikproduktion.

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal, was Musik in ihrem Ursprung war:

Menschen begannen Musik zu machen, weil das Musik machen als Solches ihnen Freude bereitete. Der Vorgang des Musizierens war das Wesentliche. Das Vorführen bzw. Zuschauen hatte vor allem einen Sinn und eine Wirkung: Es weckte in den Zuschauern bzw. Zuhörern die Lust zu tanzen oder ebenfalls zu musizieren.

Das ist ein ganz wesentlicher Punkt in der Kunst (wenn es richtig läuft): Die Lust an der Ausübung überträgt sich. Menschen befruchten sich damit gegenseitig.

Aber was haben wir heute in der Musikproduktion?

Musik wird am Computer mit Maus und Tatstatur konstruiert. Der Vorgang des Musizierens entfällt zunehmend.

Von denen die das tun, wird das als technischer Fortschritt dargestellt. Man braucht keine teuren Instrumente mehr und jeder kann es sofort tun. Ein Smartphone reicht als Ausrüstung.

Das ist übrigens eines der wesentlichen Kennzeichen dieser Entwicklung:

Diejenigen, welche auf diese Weise Musik produzieren, reden das Musizieren als veraltete, überholte Entwicklung weg. Am liebsten würden sie es gleich abschaffen. Das hat vor allem den Grund, dass sie tief im Inneren ihrer Seele ahnen, was sie eigentlich verloren haben und sie wollen nicht ständig daran erinnert werden.

Der Unterschied zwischen Musikproduktion und Musizieren noch einmal klar herausgestellt:

Beim Musizieren ist der Vorgang des Musizierens und die Freude daran das Wesentliche, auf das es ankommt. Das Resultat ist eigentlich egal.

In der Musikproduktion kommt es auf das Musizieren gar nicht mehr an - es findet gar nicht mehr statt - sondern nur noch auf das Resultat. Das Resultat wird produziert. Und nur das Resultat und sein Erfolg zählt.

Damit handelt es sich in meiner Sichtweise auch nicht mehr um Kunst. Es ist Business und Produktion.

"Gut", könnte man sagen "lass sie produzieren und wer musizieren will, musiziert halt und kümmert sich nicht weiter darum."

Aber:

Musikproduktion löscht das natürliche Musizieren immer mehr aus.

Die Musikproduktion am Computer ist vor allem auch auf eine absolute Perfektion des Resultats ausgerichtet. Diese Art von Perfektion entspricht dem natürlichen Musizieren aber überhaupt nicht. Das spontane Musizieren ist geradezu auf einen lockeren Umgang mit Fehlern angewiesen.

Neben produzierter Musik wirkt spontane, natürliche Musik unperfekt. In einem Denken, das mit Fehlern nicht umgehen kann, weil es sie ablehnt und wo das Resultat und sein kommerzieller Erfolg alles zählt, erscheint das spontane, natürliche Musizieren wie ein überholtes Relikt aus der Urzeit.

Den ganzen Tag wird man aus dem Radio mit produzierter überperfekter Musik zugedudelt. Und DAS prägt den Standard. DAS prägt, als was Musik wahrgenommen wird. DAS definiert den Musikbegriff. Jede Minute Radio hören zerstört ein bisschen mehr die Lust am einfachen Musizieren, wo es um die Lust des Töne Erzeugens an sich mit den Mitteln des Körpers geht (nicht Verstand, sondern Körper und Kreativität).

Ein weiteres Problem produzierter Musik ist, dass sie viele Gestaltungsmittel enthält, die musizierend mit einem Instrument nicht erreicht werden können. Man kann sie am Computer mit der Maus konstruieren, aber live wäre das nicht umsetzbar. Das kappt dann auch noch die Übertragungsfunktion von Musik. (Kunst überträgt sich - Musik animiert zum Mitmachen.) Der Impuls wird beim Anhören zwar ausgelöst, aber er führt zu Irritation und Frustration, weil das Gehörte musizierend nicht nachahmbar ist.

Es bleibt noch eine Frage:

Welchen Sinn bzw. welchen Zweck hat das Resultat von Musikproduktion?

Musik als Kunst ist auf einen Nutzen des Resultats nicht angewiesen. Der Vorgang des Musizierens erfüllt sich selbst. Genau das unterscheidet ja Kunst von anderen schöpferischen Vorgängen.

Aber in der Musikproduktion gibt es das Musizieren nicht mehr. Es geht überhaupt nur noch ums Resultat.

Das Resultat wird verkauft und konsumiert.

Und das sieht so aus, dass die derart produzierte Musik pausenlos aus Radios und MP3-Playern dudelt. Oder man dröhnt sich in einer Disco damit zu. Die produzierte Musik ist eines der Suchtmittel, die dem Menschen helfen, seinen sinnlosen und trostlosen Alltag nicht so spüren zu müssen.

Und warum ist der Alltag so vieler Menschen trostlos und sinnlos?

Weil sie ihre Träume nicht verwirklichen UND weil der Mensch die Segnungen von Kunst verspielt und verloren hat.

nächstes Kapitel: Musizieren